May 14, 2005 Pedro May Mediathek, Videos, Sportreisen, Snowkite, Backcountry Ski, Heliboarding, Berggehn, Russland Kamtschatka (Heliboarding, Snowkite), Asien, Russland (Asien), 0
Kamtschatka fängt dort an wo Sibirien aufhört. Von ca. 160 Vulkanen sind knapp 30 Vulkane aktiv, speien Feuer und Asche. Flüssiges Magma läuft einige der fast ganzjährig mit schneebedeckten Gipfel in die Täler hinab.
Die fast 5000 m hohen Berggipfel sorgen für ein unvergleichbares Panorama. Die Niederschläge auf den Bergen die sich bis zur Pazifikküste ziehen, bringen große Schneemengen und viel Wind. Große und kleine Helikopter aus russischen Armebeständen stehen für internationale Wintersportler, als auch russische Inlandstouristen bereit. Erfahrene Piloten bringen die Gäste zu den besten Powderabfahrten und zu den entlegensten Geysiren. Ideale Vorraussetzungen zum Snowkiten, Skitouren, Snowwakeboarden und Heliboarden. Immer im Anlitz eines aschespeienden Vulkanes.
Storyboard
Moskau 2003. Erster Eindruck vom Militärsperrbezirk Kamtschatk
Russische Freunde stellen mir den Chefredakteur der deutschsprachigen Zeitung in Moskau vor. Stolz zeigt er mir seine neueste Auflage mit unterbelichteten Fotos vom Ende Sibieriens. Ich antworte mit einem langem schweigen.
Meine Denkmaschine beginnt zu arbeiten, mein Pulschlag steigt. Alles was ich erkennen kann reicht für einen neuen Traum. Knapp 5000 m hohe Vulkane, aktive Krater speien schwarze Asche auf weißen Schnee der bis zum Pazifikstrand reicht. Weitere Aufnahmen zeigen große Ebenen mit heftigen Schneeverwehungen auf denen mächtige Helikopter parken. Panzer und Kettenmobile dienen als öffentliche Verkehrsmittel auf einer Halbinsel die geologisch gesehen auf dem Stand von vor Millionen von Jahren ist. In wenigen Sekunden kombiniere ich: Heliborden, Skitouren und Snowkiten in Kamtschatka. Das Abenteuer beginnt.
Ende März 2005, Airport München. Checkin
Beim Checkin ist das Kürzel für den Zielflughafen Petropavlovsk-Kamtschatski gänzlich unbekannt. Ein Aeroflotbediensteter wälzt ein dickes Buch und findet letztendlich den Zielort auf einer großen Russlandkarte. „Fliegen sie da freiwillig hin, sind sie Geologe oder Journalist?“, fragt mich dieser. Mit einem Lächeln hiefe ich mein 50 kg Sportgepäck auf das Fließband. Beim öffnen des Gepäckstückes versteht er sehr schnell was ich nach 13 Flugstunden, 11 Zeitzonen ostwärts an der Packeisgrenze vorhabe: Kiten und Heliboarden bis mir der Powder aus den Ohren rausstaubt.
Airport Moskau, 2 Zeitzonen ostwärts. Schneestürme verhindern den Abflug
Der Transfer vom internationalen zum nationalen Flughafen in Moskau beinhaltet 8 Security-Checks, eine handvoll Stempel und Formulare zum Ausfüllen in russischer Schrift. Beim erneuten Checkin am 20 Minuten entfernten nationalen Flughafen entschuldige ich mich dafür, das ich mein Sportgepäck nicht angemeldet hab. Eine Dame mit dick aufgetragenem rotem Lippenstift beruhigt mich: „Auf diesem Flug werden Waren erst ab 500 Kg angemeldet!“
Dann beginnt das lange Warten. Der Anschlussflug Moskau – Petropavlovsk wird 2 x verschoben. Nach 5 Stunden rumhängen,verkünden schließlich klirrende Lautsprecher den Grund: 3 Meter Schnee auf der Landebahn in Petropavlowsk. In der aus allen Nähten platzenden Wartehalle lerne ich ein amerikanisches Fernsehteam kennen. Es erzählt mir, dass sie schon seit 3 Tagen auf Abflug warten. Zweimal seien sie schon in der Luft gewesen und dann nach 1 Stunde Flugzeit umgekehrt. Eine Frau erzählt von Schneetunnels die sich die Menschen im Kamtschatka graben um nach unten an ihre Haustüre zu gelangen. Andere Gäste erwägen auch die Möglichkeit eines Erdbebens. Keiner weiß was Konkretes.
Letztendlich werden wir noch in der gleichen Nacht von Aeroflot in Mehrbettzimmern in einem abgeranzten Airporthotel untergebracht. Mit zwei älteren russischen Herren aus Kamtschatka auf dem Zimmer beginnen russische Klischees zu blühen. Bei zwei Flaschen Vodka katapultieren meine Russisch-Kenntnisse in unbekannte Sphären. Vor allem lerne ich gleich die wichtigsten Vokabeln: 3 Begriffe für unterschiedliche Schneearten und 4 jeweils für Lachs und Kaviar. Lachend beginnen wir pünklich mit dem letzten Tropfen Vodka unsere wohlverdiente Nachtruhe.
Am folgenden Tag, 9 Stunden Flug über Sibiren. Der Fahrstuhl und das Flugzeug sind das sicherste Verkehrsmittel
Mein Sitznachbar stellt sich sofort per Vorname vor. Er ist Pilot bei der russischen Luftwaffe und in Kamtschatka stationiert. In die 9 Flugstunden entfernte Hauptstadt Moskau musste er nur mal schnell um seine Flugerlaubnis neu abstempeln zu lassen. Als ich mit ihm mit einem Glas georgischem Wein anstoßen möchte stellt sich heraus, dass er Moslem ist und keinen Alkohol trinkt. Allah stehe ihm jetzt ganz nahe, sonst säßen wir nicht einer einer Illyushin 96 sondern womöglich in einer Tupulev und müssten mehrere male zwischenlanden um zu tanken. Solch eine Tupulev ist nämlich gerade wieder letzte Woche in Nordsibieren abgestürzt. Der Langstreckenjet Illyushin 96 wird immer dann durch eine uralt Tupulev ersetzt, wenn der Flieger in dem wir gerade sitzen wegen Reparaturen nicht einsatzfähig ist. Er wisse das ganz genau, denn er ist diese Strecke schon sehr oft geflogen. Meine seelische Stütze ist das Internet. Darin hab ich gelesen, dass der Fahrstuhl und das Flugzeug das sicherste Verkehrsmitteln sind.
Beim Flug über Nordsibirien sehe ich unzählige zugefrorende Flüsse, die sich durchs verschneite, teils bergige Land ziehen. „unter uns liegt Norilsk, wolkenfrei im Sonnenschein, Minus 40 Grad, noch 7 Stunden bis Kamtschatka, meldet der Pilot.
Petropawlowsk meldet sich durch dicke, sich sehr schnell bewegende Wolkenfelder an. Das erste mal spricht eine Stuardess ins Mikrofon. Sehr schnell, hastig und nur in Russisch. Die Message ist eindeutig. Kein Passagier schläft mehr, alle schweigen, alle ziehen sich ihren Gurt so fest es nur geht. Etwas bedrohliches liegt in der Luft. Ich denke immer wieder an den Fahrstuhl und an das Flugzeug, welche das sicherste Verkehrsmittel sein sollen.
Es macht den Eindruck als wüste jeder was jetzt kommt. Warteschleifen drehen bis sich der Orkan beruhigt oder umdrehen. Mein Sitznachbar, der Luftwaffenpilot, erklärt mir, dass wir maximal 1 Stunde über Petropawlowsk kreisen können, dann reicht das rechtliche Kerosin gerade noch um im 2 Stunden entfernten Sachalinsk zwischen zu landen.
Wir sparen uns dieses Prozedere und fallen von heftigsten Turbulenzen geschüttelt an riesigen Eisschollen vorbei auf das vereiste Flugfeld von Petropawlowsk-Kamtschatski. Meterhohe Schneewände bis dicht unter die Flugzeugflügel drohen regelrecht die Triebwerke von den Flügeln zu reißen. Während wir über die Landebahn zum Terminal laufen, räumen fleißige Hände einen Schneekanal als Ausgang frei.
Tag 1, Petropawlowsk Kamtschatski. Snowkiten
Mit einem breiten Lächeln erwartet mich mein Fahrer. „Du hast riesiges Glück, wir haben den schneereichsten Winter seit 50 Jahren“, kommentiert er während wir im Auto aufs Gepäck warten. Noch während der Fahrt zu meiner angeblich Erdbeben sicheren Wohnung, in der eine handvoll schneesüchtiger Kumpels aus Tschechien und Canada warten, beginnt die Planung für die kommenden 2 Wochen. Begriffe wie Lachs, Kaviar, Vulkan, Snowboard, Helikopter und Kite fallen. Das russische Wort für Kite kennen wir beide nicht. So liegt die Lösung für den Wortnotstand in einem Foto, das ich aus der Tasche ziehe. Es dauert eine ganze Weile bis ich meinen Fahrer Genia erkläre was ich zum Kiten brauche: Wind und weite Ebenen.
Plötzlich biegt er nach Osten Richtung Pazifikstrand ab. Der Weg wird immer enger, die Schneedecke immer Höher. 8 Meter tiefe Gräben schneiden vor uns mehrere Schneefräsen, mit Stahlseilen an einander gebunden, Richtung Strand. Die eigentliche Straße finden die Maschinenführer per Satellitennavigation (GPS).
Vom Meeresrauschen angezogen, bringt warmer Wind (- 5 Grad) kräftigen Druck für fette Jumps am verschneiten Pazifikstrand. Kapitale Seelöwen surfen in fast clean laufenden 3 Meter hohen Wellen und begutachten das Kitespektakel aus sicherer Distanz. Im Norden übergeben sich mächtige Vulkane mit dampfender Lava. Kamtschatka pur!
Tag 2 bis 4, zwischen aktiven und schlafenden Vulkanen. Lawinensurfen
„In Kamtschatka gibt es keine Straßen, sondern nur Richtungen“, erklärt uns unserer Fahrer. Deshalb steigen wir erstmals in ein Kettenfahrzeug um, welches uns zu einer Hütte am 1900 Meter hoch gelegenen Avatchinsky-Pass bringt. Hier erwartet uns ein Schneesturm von mindestens 20 Bft. Unsere Köchin Ludmilla nennt das Dauergebläse Cyclon. Ohne GPS lässt sie uns in der dichten Nebelsuppe nicht mal zur 10 Gehminuten entferten geologischen Forschungsstation gehen. Der blasende Einschrank hat nachts minus 15 Grad und produziert Wächten mit weit über 12 Meter Schnee. Wer sich hier verirrt ist tot.
Für uns beginnt ein Hollywood-Schauspiel aus Feuer, Eis und täglichem Neuschnee. Wenn Wind und Nebel Pause machen, gehen wir an kurzen Hängen boarden. Das Kettenmobil zieht uns auf nahegelegene Hügel, den Rest zum Gipfel gehen wir auf der Luvseite in vom Wind festgedrückten Schnee zu Fuß. Auf Lee warten feinster Pulver, der schon bei minimalsten Druck auf die Schneedecke kleine Lawinen auslöst. Es macht uns mächtig Spaß kleinere Lawinen auszulösen und vor diesen wegzufahren. Ein Adrenalin-Junk von dem jeder Boarder mal in seinem Leben geträumt hat, geht in Erfüllung.
Tag 5 bis 7. Zusammenstellung eines internationalen Boarderteams und nervöses Wetterchecken
In den nächsten Tagen beginnt die eigentliche Arbeit. Motiverte Helipiloten, einen vertrauenswürdigen Mi 8 Heli und mindestens 10 weitere Boarder zum Teilen der Helikosten zu finden. Binnen 48 Stunden erweitern wir unsere Boardercrew um 9 weitere Touristen aus Vladivostok. Alles schwer erfahrene Jungs. Man war überall. Alaska, Canada, Kaukasus und jetzt am Ende der Boarderkarriere steht Kamtschatka.
Eine Wetterbesprechung jagt die andere. Welcher Vulkan ist gerade aktiv. Welcher Vulkan bei welcher Windrichtung. Schnell lernen ich russische Wetterberichte im Fernsehen zu verstehen. Nervöses rumtelefonieren und –fragen bei den Locals in den Nachtbars machen uns stadt-bekannt.
3 Sonnentage sind in Sicht. Das müssen wir ausnutzen. Wer weiß wan wieder geflogen werden kann. Unser Equipment haben wir zigfach durchgecheckt, unzählige Piepsübungen haben aus lauter Vorfreude stattgefunden.
Tag 8 – 11, Treffpunkt Heliport. Endlich ist soweit
Wir sind verdammt nervös. Keiner verliert ein überflüssiges Wort. Das dumpfe Rattern der Rotoren pumpt Adrenalin in unsere Bodies. Wir haben Angst und trotzdem sind wir glücklich. 24 Minuten, 3000 Höhenmeter, dann landen wir am Krater des aktiven Avatschinsky Vulkans (2741 m). Ein Kamarashot jagt den anderen. Aus dem Fenster sehen wir 5 weitere, teils rauchende Vulkane. Die Eindrücke erschlagen uns regelrecht. So haben wir ganz vergessen uns ein genaues Bild von dem Vulkankegel zu verschaffen den wir in wenigen Minuten mit unseren Brettern hinabstürzen werden. Wir kennen keine markanten Punkte. Nur der tiefverschneite Hang den wir shredden wollen liegt zu unseren Füßen. Weitere unzählige Digi-Shots folgen. Nach einer 10-Minutigen Wanderung stehen wir am vereisten Grad des Kraterrandes.
Die ganze Situation hat uns so geblendet, dass wir den Downhill-Trip nicht mal annähernd so studiert haben, wie eine planierte Piste in Österreich. Die nächsten Boarder-Stunden gehören zu den intensivsten in meinem Leben.
Unten am Heli angekommen werden wir freudestrahlend von den beiden Piloten empfangen. Endorphin-geschwängert löffeln wir in Wodka getränkten Kaviar. Dann murmeln die Piloten was von Wind. Grund genug ans Snowkiten zu denken. Während sich der harte Kern weitere Downhillruns per Heli leisten, gönne ich mir satte 2 Kitestunden am Fuße des kochenden Vulkans. Eine perfekte Fotosession beginnt hier wo einst die Sowjets ihre Weltraumfahrzeuge testeten. Heute teste ich mein Equipment von Cypress-Warehouse, Matador, Flysurfer und Skywalk .
Am Abend bewegen wir unse müden Boddies in die modäne „Sportsbar“ im Rande von Petropawlowsk. Hier schauen wir unsere Digi-Shots zum hunderstenmal durch und kapieren erst langsam was passiert ist. Die nächsten Tage verlaufen ähnlich. Mal fliegen wir den großen Mi-8 Heli für 15 Personen, mal einen kleinen Mi-2 für 5 Personen. Jeden Tag wird ein anderer Vulkan angepeilt. Nachts können wir vor Aufregung kaum einschlafen.
Der letzte Tag verabschiedet sich mit Windstille, Sonnenschein und big Business. Noch am Flughafen wechseln Dollar und ein Teil meiner Snowboardausrüstung die Besitzer. Die warme russische Seele war es die mich empfangen hat und tränen sind es, die mich von vielen neuen Freundschaften verabschieden.
Reisekosten
Heli, Skidoo, Ratrak
Einen bis zu 12 Tonnen schweren Mi-8 Heli in die Luft zu schrauben kostet pro Flugstunde ca. 1500 USD. Mit 2 reinen Flugstunden pro Tag kann schon sehr viel anfangen. Heli-Wartezeiten werden in Kamtschatka nicht berechnet. Heliboarden ist also nicht gerade eine billige Adrenalinspritze. Doch wenn man sich die Kosten durch 15 Teilnehmer teilt, sieht die Rechnung schon anders aus. Geflogen wird allerdings meist nur bei guten Sichtverhältnissen. Wie stark also die Kreditkarte glüht hängt letztendlich von den Sonnenscheintagen, den mitfliegenden Buddies, vom aktuellen Spritpreis und vom Dollarkurs ab. Eine super Alternative zum Heli bieten Kettenmobile und Skidoos. Ein Kettenmobil kostet pro Tag ca. 400 USD. Diese Kosten können durch bis zu 8 Teilnehmern geteilt werden. Skidoos liegen bei ca 100 USD pro Tag. Zu Dritt also nicht mehr als ein Tagesskipass in den Alpen. Snowmobile und Skidoo bringen einen zu hochgelegenen Ausgangspunkten zu Skitouren und Snowkiteabenteuren an aktiven Vulkanen. Und trotzdem, der Sound der rotierenden Rotorblätter eines Mi-8 Heli machen süchtig. Deshalb mein absoluter Souvenier Geheimtipp für Helisüchtige: 1 CD voll mit Helisound.
Sonstige Kosten
Visa, Einreisegenehmigung, Hotelreservierungsnummer, etc.: 150 Euro
Aeroflotflug von Deutschland nach Petropawlowsk: 700 Euro
Anmieten einer Wohnung oder Hotel: 30 bis 300 Euro pro Nacht pro Zimmer
Allradfahrzeug mit 6 Sitzplätzen, mit Fahrer pro Tag: ab 40 Euro pro Kfz
Party, Lebensmittel, Taxi: ca. 70 % der Kosten in Mitteleuropa
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